Nicht
sehen trennt den Menschen von den Dingen.
Ich habe diese Worte oder diesen kleinen Satz zufällig
in einem Geschäft für Optik gelesen, und habe mir natürlich sofort
Gedanken darüber gemacht, was will Immanuel Kant uns mit diesen
Worten sagen, oder was meint er mit diesem kleinen Satz?
Es sind nur acht Worte, die vor mir niedergeschrieben
sind, und die ich betrachte, und über die ich nachdenke, weil ich
darüber nachdenken muss, nicht nur weil mein Landsmann Kant diese
Worte geschrieben hat.
„Nicht sehen“, was bedeuten diese beiden Worte? Sie
bedeuten, dass ich die Augen auf habe und trotzdem nicht sehe, also
bin ich nicht sehen kann, obwohl ich zwei Augen habe, aber für mich
persönlich gibt es keine Möglichkeit etwas zu sehen, und das
bedeutet: ich bin blind.
Was heißt es, blind zu sein? Das heißt soviel, ich
sehe nichts, ich kann visuell nichts erfassen. Ich lebe in einer
anderen Welt, in der man nichts sieht, aber man fühlt und hört, und
man richtet sich nach dem Gefühl und dem Gehör.
Es ist wirklich eine andere Welt, in der ich dann lebe.
Ich kann Gegenstände fühlen und betasten, und mir den vorstellen,
was es sein könnte, aber ich kann den Gegenstand nicht sehen, er ist
nicht real für mich, sondern existiert nur in meiner Fantasie. So
ist es mit jedem Gegenstand.
Auch wenn mir einer einen Gegenstand beschreibt, so sehe
ich vor meinem inneren Auge den Gegenstand so, wie er mir beschrieben
wurde, aber ist es wirklich der reale Gegenstand, der mir beschrieben
wird? Oder bilde ich mir den Gegenstand selber mit meinen Gedanken,
die ich über den Gegenstand habe, und ihn mir so vorstelle, wie er
sein könnte?
Also Gefühl und Beschreibung bringen mir den Gegenstand
nahe, aber ich bilde mir den Gegenstand selber, nach meinen
Vorstellungen stelle ich ihn so hin, wie er für mich ist, wie ihn
meine Fantasie ihn mir darstellt.
Das Gefühl und die Beschreibung bringen mir den
Gegenstand nahe, aber sie trennen mich auch vom Gegenstand, so wie
das „Nicht-Sehen“ des Gegenstandes. Denn wenn ich den Gegenstand
nicht sehe, dann bin ich von ihm getrennt, denn nur die Gefühle und
Beschreibungen des Gegenstandes geben mir die Möglichkeit einer
Überbrückung des „Nicht-Sehens“, und trotzdem bin ich durch das
Blinde oder das „Nicht-Sehen“ vom Gegenstand getrennt.
Wenn ich nicht sehen kann, dann habe ich einen
erheblichen Fehler in meinem Verhalten gegenüber Menschen, die sehen
können. Denn diese Menschen sehen den Gegenstand, so wie er wirklich
ist, und das ist der Vorteil für den sehenden Menschen. Wenn ich
nicht sehen kann, dann werde ich immer einen Menschen brauchen, der
mir den Gegenstand beschreibt, oder er führt mich zum Gegenstand den
ich dann befühle und mir meine eigenen Gedanken über diesen
Gegenstand mache, wie er aussieht oder wie er aussehen könnte.
Wenn einer nicht sehen kann, dann wird er immer von
einem Sehenden abhängig sein, besonders dann, wenn er etwas über
einen Gegenstand erfahren will. Nur der Sehende kann dem
Nicht-Sehenden den Gegenstand so schildern wie er ist. Der
Nicht-Sehende kann allein nur den Gegenstand ertasten und fühlend
und dann seine Gedanken durch durch diese den Gegenstand in seiner
Fantasie so darstellen, dass der Gegenstand so ist oder sein soll,
wie er ihn vor seinem inneren Auge sieht.
Nur wenn der Nicht-Sehende mit einem Sehenden gemeinsam
einen Gegenstand beschreibt, was durch den Sehenden geschieht, dann
wird der Nicht-Sehende vom Sehenden getrennt, denn sie haben noch die
Gedanken und können diese durch die Sprache vermitteln. Ist der
Nicht-Sehende alleine, dann lebt oder ist er vom Gegenstand getrennt.
Also gehen wir Sehenden auf den Nicht-Sehenden zu, wir
sprechen mit ihm und wir Sehenden schildern dem Nicht-Sehenden die
Umwelt, so wie sie ist, und das verbindet uns so, dass wir beide als
Sehende anerkannt werden können, denn unsere Gedanken werden eins.
Auch der Sehende ist in manchen Momenten ein
Nicht-Sehender, wenn er selbst die Augen schließt, dann sieht auch
er nicht den Gegenstand, aber nur mit der Fantasie kann er einen
Gegenstand erschaffen.
Ob uns das Sehen oder das Nicht-Sehen glücklich macht,
das bestimmen wir selbst, denn in manchen Situationen wären wir
froh, wenn wir manches nicht sehen würden.
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