Dienstag, 26. Juli 2011

Zwei Lerchen

Ich hörte zwei Lerchen singen,

sie sangen so hell und klar,

und flogen auf freudigen Schwingen

am Himmel so wunderbar.

Die eine nahte der Sonne,

geblendet doch schrak sie zurück,

wohl dachte sie oft noch mit Wonne

an dieses vergangene Glück.

Doch wagte sie nicht zu erheben

die Schwingen nach jenem Strahl.

Sie fürchtet, es möchte ihr Streben

ihr werden am Ende zur Qual.

Die andere im mutigen Drange

schwingt sich zu der Sonne heran.

Doch schließt sie die Augen so bange

auf nie noch betretender Bahn.

Sie kann doch nicht widerstehen,

sie fühlt unbesiegbare Lust

die himmlischen Strahlen zu sehen,

sich selber kaum mehr bewusst.

Sie blickt in die strahlende Sonne,

sie schaut sie an ohne Klag

in himmlischer Freude und Wonne

bis endlich ihr Auge brach.


Dieses Gedicht hat einen symbolischen Hintergrund auch für den Menschen. Es wird natürlich nicht so gewesen, dass die Lerchen wirklich sich der Sonne näherten, denn die wissen genau, was sie zu tun haben, was bei uns Menschen oft nicht der Fall ist.

Wir Menschen wollen in der Euphorie oft irgendetwas erreichen, wozu wir eigentlich nicht in der Lage sind. Und dann riskieren wir alles das, was uns etwas bedeutet, so­gar das eigene Leben oder das Leben anderer Menschen.

Der Mensch erhebt sich dann in Sphären, die ihm unangenehm werden können, aber er nimmt es oft nicht wahr, sondern sagt sich, das es dazugehören würde, um etwas zu erreichen. Der Mensch setzt sich Ziele, die oft nicht erreichbar sein können oder nicht erreichbar sind, aber diese Ziele sind dann da. Im Inneren haben wir Menschen immer den Drang nach etwas Besonderen, und so verstehe ich auch das Gedicht. Die Lerchen in diesem Gedicht sind zwei Menschen. Sie wollen das Besondere. In die­sem Gedicht ist das Besondere der Flug zu der Sonne. Was die Menschen auch gerne wollen. Aber dieser Flug führt nur zur Erblindung bzw. zum Tod für die beiden Ler­chen. Man könnte sagen, die beiden Lerchen hätten die Gefährlichkeit der Sonne nicht gekannt.

Wir Menschen kennen die Gefährlichkeit der Sonne, weil es uns die Wissenschaft gelehrt hat. Auch wissen wir, wenn wir die Erde verlassen, dann beginnt die Zone ohne Luft, und die ist sehr groß. Also brauchen wir Sauerstoff. Aber was sollen wir auf der Sonne? Es ist die Frage, die sich jeder Mensch möglicherweise stellt, und die er sich auch selbst beantworten kann. Ich wollte die Sonne nicht besuchen, denn dort könnte mir das Hinterteil angebrannt werden.

Man muss sich vorstellen, das Gedicht stammt von 1858, da wusste man wenig von der Sonne. Die Sonne oder unsere Sonne ist ein Gasriese, der uns die Wärme schickt. Verlöscht dieser Gasriese eines Tages, dann wird es auf der Erde kalt, und die Natur, auch die beiden Lerchen, verschwinden. Es ist ganz einfach.

Zur Zeit, als das Gedicht geschrieben wurde, da kannte man die physikalischen Vor­aussetzungen noch nicht, Trotzdem hat dieses schöne Gedicht einen Symbolcharakter für den Menschen.

Riskiere etwas in der Forschung, dann erreicht du eine gewisse Art von persönlicher Befriedigung mit dem Erfolg, am Leben zu bleiben oder zu sterben, und alles im Na­men der Wissenschaft.


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