Die Biologie des Mitgefühls.
Wer großes Mitgefühl hegt, erfährt alle Lehren des
Buddha, so als würde er sie in der Hand halten.
Das buddhistische Verständnis von Mitgefühl
unterscheidet sich in gewisser Hinsicht ein wenig von dem, was man
gewöhnlicherweise mit diesem Wort verbindet. Denn Mitgefühl ist für
Buddhisten nicht einfach, dass einem andere Leute leidtun.
Mitgefühl ist eine Art von Liebe ohne Anhaftung und
ohne die geringste Erwartung, dafür irgendetwas zurückzubekommen.
Denn Mitgefühl ist das spontane Gefühl des Verbundenseins mit allen
Lebewesen. Was du fühlst, fühle ich, was ich fühle, fühlst du.
Denn es gibt keinen Unterschied zwischen uns.
Biologisch gesehen sind wir darauf vorprogrammiert, auf
unsere Umwelt relativ einfach so zu reagieren, dass wir Bedrohungen
für unser Überleben meiden und Gelegenheiten zur Verbesserung
unseres Wohlergehens ergreifen. Wenn wir ein Geschichtsbuch
durchblättern, um zu sehen, dass die Entwicklungsgeschichte der
Menschheit häufig eine Geschichte der Gewalt ist, die mit dem Blut
der Schwächeren geschrieben wurde.
Es scheint so zu sein, dass uns ebendiese biologische
Programmierung, die uns zur Gewalt und Grausamkeit treibt, auch mit
Emotionen ausstattet, die uns nicht nur an der Aggression hindern,
sondern auch zu einem Handeln bewegen können, das sich im Dienste
des anderen über den persönlichen Überlebensinstinkt hinwegsetzt.
Denn unsere Überlebensinstinkt hat uns neben unseren Hang zu
Aggressionen mit einer sogar noch stärkeren biologischen Veranlagung
zu Freundlichkeit, Mitgefühl, Liebe und Fürsorge ausgestattet.
Was sehr auffällig ist, ist, dass Menschen oft viele
Opfer für andere Menschen bringen, obwohl sie wissen, dass sie
dadurch selbst zu Opfern werden können, aber sie machen es trotzdem.
Woran könnte es liegen, dass Menschen dieses Opfer bringen, um das
Leben anderer Menschen zu erhalten oder auch zu retten.
Es scheint so, dass solche Opfer auf der persönlichen
Ebene Hinweise auf eine Reihe von biologischen Faktoren sind, die
über persönliche Ängste und Wünsche hinausreichen.
Die einfache Tatsache, dass wir Gesellschaften und
Zivilisationen aufzubauen vermochten, die zumindest die Notwendigkeit
des Schutzes und der Fürsorge für die Armen, Schwachen und
Wehrlosen anerkennen, unterstützt die Schlussfolgerung: dass „ein
ethisches Empfinden ein biologisches Merkmal unserer Spezies ist“.
Diese Bemerkung steht völlig im Einklang mit der Essenz
von Buddhas Lehren: „Je klarer wir die Dinge sehen, wie sie sind,
desto mehr sind wir willens und fähig, unser Herz für andere Wesen
zu öffnen. Wenn wir erkennen, dass andere Schmerz und Unglück
erleiden, weil sie ihre wahre Natur nicht erkennen, sind wir spontan
vom tiefen Wunsch bewegt, dass sie das gleiche Gefühl von Frieden
und Klarheit erfahren mögen, das wir schon kennen lernen durften.
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