Warum sind wir unglücklich?
Alle fühlenden Wesen neigen dazu, auf nicht
nutzbringende Weise zu handeln.
In meine Lebensjahren von 75 Jahren habe ich viele
merkwürdige und wunderbare Dinge gesehen und hörte viele seltsame
und wunderbare Geschichten von Menschen mit denen ich persönlich
gesprochen habe. Was mich sehr überraschte war das, was ich sah, das
Leiden der Menschen, die an einem Ort lebten, wo materielle
Bequemlichkeiten in großem Ausmaß verfügbar waren, eine solche
Tiefe angenommen hatte, wie ich sie bei jenen erlebt hatte, die in
weniger materiell entwickelten Regionen zu Hause waren.
Die Ausdrucksformen des Leidens sind sehr
unterschiedlich, denn sie richten sich auch dem Umfeld des Einzelnen.
Wenn man zum Beispiel die vielen besonderen
Konstruktionen von Gebäuden sieht, und diese Gebäude besteigt und
oben anlangt, dann wundert man sich über die vielen und sehr
strengen Sicherheitsmaßen, z.B. von Stacheldrahtzäunen und
patrouillierenden Wachen auf den Dächern, und man fragt sich, warum
muss das Sein?
Ich denke dann an die Menschen, die sehr verzweifelt
sind, die an einem Leiden leiden und sich dann das Leben nehmen
wollen, indem sie sich von den Dächern stürzen. Es ist schon
eigenartig, wenn man einerseits die hervorragende Technologie sieht,
bestaunt und bewundert, und dann wollen sich Menschen das Leben
nehmen, weil sie leiden.
Es ist ja nicht so, das man von der Technologie
abgehalten wird, das Können und die Schönheit der
Sehenswürdigkeiten zu verachten oder missachten, aber es ist der
Mensch, der in seiner psychischen Not diese Sehenswürdigkeiten
benutzt, um dieses Leiden zu beenden.
Eine Gesellschaft kann materiell noch so gut
ausgestattet sein, aber wenn man den Menschen in seinem Verhalten
beobachtet, dann stellt man oft fest, wie unzufrieden sehr viele
Menschen mit ihrem Leben sind, denn sie sind oft verzweifeln und
sehnen sich nach Ruhe und Frieden.
In einem persönlichen Gespräch stellen Menschen oft
die Frage, wie sie besser und stärker werden können als sie bisher
sind, oder wie sie ihren „Selbsthass“ überwinden können.
Erst in einem längeren Leben, wenn etwas durch die Welt
gereist ist und viele Menschen kennengelernt hat und damit auch viele
Gesellschaftsformen, so wird einem immer klarer, dass Angehörige
einer technologisch und materiell ausgezeichneten Gesellschaft mit
der gleichen Wahrscheinlichkeit Schmerz, Angst, Einsamkeit, Isolation
und Verzweiflung empfinden wie die Menschen, die in vergleichsweise
weniger entwickelten Gebieten leben.
Aber warum ist das so? Dass die Menschen, wenn der
äußere oder materielle Fortschritt in seinem Tempo die Entwicklung
von inneren Wissen übersteigt, unter tiefen emotionalen Konflikten
zu leiden scheinen, ohne durch irgendwelche inneren Methoden dafür
gerüstet zu sein. Ein Übermaß an materiellen Dingen und
Möglichkeiten liefert eine solche Vielfalt an äußerlichen
Ablenkungen, dass die Menschen den Kontakt zu ihrem Innenleben
verlieren.
Bedenkt man die Unzahl von Menschen, die stets auf der
Suche nach etwas Spannenden, Aufregendem sind, indem sie jedes neue
Restaurant ausprobieren, neue Beziehungen anfangen oder
Arbeitsstellen wechseln. Eine Weile hält der Reiz des Neuen an, aber
dann legt sich die Erregung und Begeisterung, die neuen Gefühle und
Empfindungen, die neuen Freunde oder die neuen Verantwortlichkeiten
werden zu etwas Alltäglichen. Das Glücksgefühl, das sie zu Anfang
empfunden haben mögen, verflüchtigt sich.
Alle Phänomene sind das Ergebnis des Zusammenkommens
von Ursachen und Bedingungen und unterliegen daher unausweichlich
irgendeiner Art von Veränderung. Wenn sich die zugrunde liegenden
Ursachen ändern, die eine Erfahrung von Glück erzeugten und
aufrechterhielten, geben die meisten Leute den äußeren Bedingungen
oder sich selbst die Schuld.
Aber solche Schuldzuweisung macht die Suche nach dem
Glück noch schwieriger, weil sie von einem Verlust an
Selbstvertrauen oder Glauben an die Dinge zeugt, die uns, wie man uns
beibrachte, zum Glück verhelfen sollten.
Das noch größere Problem ist allerdings, dass die
meisten Menschen keine sehr klare Vorstellung davon haben, was Glück
eigentlich ist. Folglich schaffen sie sich immer wieder Umstände,
die sie zu der Unzufriedenheit zurückführen, die sie so verzweifelt
gerne ausmerzen würden. Und weil das so ist, wäre es eine gute
Idee, sich das Glücklichseins, das Unglücklich sein und die meisten
Zustände zugrunde liegenden Ursachen ein bisschen genauer anzusehen.
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