Die Tyrannei der Zeit.
Die Vergangenheit ist nicht wahrnehmbar, die Zukunft ist
nicht wahrnehmbar und die Gegenwart ist nicht wahrnehmbar.
Wenn ich meine Erfahrungen unter dem Gesichtspunkt der
Zeit ansehe, so kann ich sagen, alles existiert zeitlich, aber nur
aus relativer Sicht.
Wir Menschen neigen dazu, die Zeit in Form von
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu betrachten. Denken wir an die
Vergangenheit, so rufen wir uns eine Erfahrung in das Gedächtnis,
das sich schon ereignet hat.
Die Vergangenheit ist wie ein Samenkorn, das im Feuer
verbrannt wurde. Ist es zu Asche verbrannt, so gibt es kein Samenkorn
mehr. Da ist nur noch eine Erinnerung, ein Gedanke, der durch den
Kopf geht, denn die Vergangenheit ist nichts anderes als eine
Vorstellung.
So ist es auch, wenn die Menschen die Zeit Zukunft
nennen, dann ist es ein Aspekt der Zeit, der sich noch nicht ereignet
hat. So würde man auch nicht über einen Baum sprechen, der noch
nicht gepflanzt worden ist, weil der Kontext fehlt, auch wird man
nicht über Kinder reden, die noch nicht gezeugt worden sind, so wie
über Menschen reden, mit denen wir hier oder jetzt Umgang pflegen.
Somit ist auch die Zukunft nur eine Vorstellung, ein
Gedanke, der durch den Kopf geht. Was bleibt wohl an tatsächliche
Erfahrung? Die Gegenwart. Aber wie ist es möglich , die Gegenwart zu
definieren?
Man kann die Gegenwart in immer kleinere Einheiten
aufspalten, aber in dem gegenwärtigen Moment der Erfahrung, im
jetzt, ist dieser gegenwärtige Moment schon vergangen.
Es ist nicht mehr jetzt, es ist schon vorhin. Es gibt
eine Begrenztheit der normalen Vorstellung von Zeit. Aus relativer
Sicht betrachtet ist die Unterscheidung der Zeit in einzelne
Zeitabschnitte wie Stunde, Tag, Woche und so weiter bis zu einem
gewissen Grad relevant, aber aus absoluter Sicht ist es kein
wirklicher Unterschied zwischen einem Augenblick und einem ganzen
Weltalter.
Es kann innerhalb eines Weltalters einen Augenblick und
innerhalb eines Augenblicks kann es ein Weltalter geben. Aber die
Beziehungen zwischen beiden Zeitspannen würde den Augenblick um
nichts verlängern und das Weltalter um Nichts verkürzen.
Alle Phänomene gehen aus dem Geist hervor, der Leerheit
ist. Sie existieren nicht wirklich außer im Geist, aber sie sind
auch nicht nichts, aber sie sind eine tiefgründige Belehrung.
Die Essenz der Zeit, wie auch die Essenz des Raumes und
der Objekte, die sich im Raum bewegen, ist Leerheit. Es gibt einen
bestimmten Punkt, da bricht jeder Versuch, Zeit oder Raum in immer
noch kleineren Abschnitten untersuchen zu wollen, in sich zusammen.
Man kann in der Meditation mit der Wahrnehmung von Zeit
experimentieren und versuchen, sie in immer noch winzigeren
Abschnitten zu betrachten. Man kann so, die Zeit untersuchen, nur bis
zu einem Punkt, wo man nichts mehr nennen oder definieren kann.
Gelangt man an diesen Punkt, so taucht man mit der Erfahrung jenseits
der Worte, jenseits der Vorstellungen, jenseits der Konzepte
ein.jenseits der Vorstellungen und Konzepte bedeutet nicht, dass der
Geist leer ist, sondern es passiert genau das Gegenteil. Der Geist
wird weiter und offener. Man kann Subjekte und Objekte wahrnehmen,
aber man erkennt sie als Konzepte. Woraus bestehen Raum und Zeit?
Existieren sie absolut oder gehen sie aus etwas Grundlegendem hervor?
Wie sehen Raum und Zeit auf winziger Maßstabsebene aus? Gibt es eine
kleinstmögliche Zeiteinheit?
Allgemein behandelt man Raum und Zeit so, als wären sie
etwas Unendliches, Gleichförmiges und vollkommen Ebenmäßiges, ein
statischer Hintergrund, durch den sich Objekte bewegen und in dem
sich Ereignisse ereignen. Es ist eine brauchbare Annahme, um das
Wesen und die Eigenschaften großer materieller Körper als auch
subatomarer Teilchen zu untersuchen. Aber um Raum und Zeit zu
untersuchen, ergibt sich eine andere Situation.
Auf der Ebene normaler menschlicher Wahrnehmung nimmt
sich die Welt klar, scharf umrissen und kompakt aus. Wenn wir weiter
vergrößern, so entdecken wir, dass Raum und Zeit selbst anfangen zu
flimmern, zu zittern, zu fluktuieren, denn der Raum erzeugt winzige
Wölbungen und Dellen, die schnell erscheinen und schnell wieder
verschwinden.
Wir übernehmen die Rolle der Opfers, und weisen unsere
Erfahrungen einer anderen Person oder Macht zu und damit auch alle
Schuld. Wenn wir die Verantwortung für unsere Erfahrung übernehmen
würden, dann würde es uns unzählige Möglichkeiten zum Lernen und
Erfinden bieten.
Das Gefühl von persönlicher Begrenztheit und
Verletzlichkeit würde vom Gefühl der Offenheit und Freiheit
abgelöst werden. Wir würden unsere Mitmenschen in einem völlig
neuen Licht sehen, nicht als Bedrohung für die persönliche
Sicherheit oder das persönliche Glück, sondern als Leute, die
einfach von den unbegrenzten Möglichkeiten ihrer eigenen Natur
nichts wissen. Da unsere Natur von willkürlichen Untersuchungen, so
oder so zu sein oder nur über bestimmte Fähigkeiten zu verfügen
und anderer zu ermangeln, unbeeinträchtigt bliebe, würden wir den
Anforderungen jeglicher Situation begegnen können, in der wir uns
befinden mögen.
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