Mitgefühl: Das Überleben der Warmherzigsten.
Unermessliches Mitgefühl für alle fühlenden Wesen,
die als Gefangene ihrer Illusionen leiden, bricht spontan hervor.
Man muss sich einmal vorstellen, man verbringt sein
Leben in einem kleinen Zimmer, das verschlossen, ein kleines
schmutziges Fenster hat, so dass kaum Licht durchkommt.Wahrscheinlich
würde man die Welt für einen düsteren und trübseligen Ort halten,
voller merkwürdiger gestalteter Geschöpfe, die schreckenerregende
Schatten auf das verdreckte Fenster werfen, wenn diese an dem Fenster
vorbeigehen.
Aber nehmen wir einmal an, eines Tages, dass nach einem
Gewitter etwas Regenwasser gegen das Fenster gespritzt wird, und man
nimmt ein Tuch oder seinen Hemdärmel und wischt diesen Spritzer weg,
und damit löst sich etwas Schmutz von dem Fenster. Plötzlich dringt
ein kleiner heller Lichtstrahl durch dieses Fenster. Was macht man?
Man reibt natürlich noch etwas mehr Schmutz vom Fenster , und desto
mehr Licht strömt in das Zimmer.
Dann wird man da stehen und staunen und sich
fragen:Vielleicht ist die Welt doch nicht so dunkel und trübselig,
vielleicht liegt es am Fenster?
Man geht sofort zur Spüle und holt mehr Wasser,
vielleicht auch Lappen und beginnt an zu reiben und rubbeln, und zwar
solange, bis das gesamte Fenster von Dreck und Staub befreit ist.
Jetzt strömt das Licht voll herein, und man erkennt
jetzt, vielleicht zum ersten Mal, dass all die merkwürdig geformten
Schatten, die einem jedes Mal beim Vorbeikommen in Angst und
Schrecken versetzten, Menschen sind, so wie man selbst ein Mensch
ist. Und aus der Tiefe des Bewusstseins steigt der instinktive Drang
empor, gesellschaftliche Bande zu diesen Menschen zu knüpfen, also
auf die Straße hinauszugehen, um einfach bei ihnen zu sein.
In Wahrheit hat sich nichts verändert. Die Welt, das
Licht und die Leute waren immer da. Man konnte sie nur nicht sehen,
weil die Sicht verdunkelt und getrübt war. Jetzt aber sieht man
alles, und damit ist nun alles anders geworden.
Das nennt man das Erwachen des Mitgefühls, der uns
angeborenen Fähigkeit, uns mit den Erfahrungen von anderen zu
identifizieren und sie zu verstehen.
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